Fachkommentar: Mag. Pharm. Gabriele Müller
Wir alle kennen Vitamin D im Zusammenhang mit der Knochengesundheit.
Doch es kann noch viel, viel mehr. Hier sind ein paar Beispiele gesundheitsfördernder Wirkungen, die rund um das Sonnenvitamin nach neuesten Erkenntnissen diskutiert werden:
- Knochen und Muskel-Gesundheit:
Minimierung des Risikos von Stürzen,
Knochenbrüchen und Osteoporose
besonders im höheren Alter - Stärkung des Immunsystems:
Verminderung von Infektionen mit Bakterien oder Viren (auch Corona) und Verbesserung allergischer Probleme - Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall: Senkung eines erhöhten Blutdrucks, Reduktion des Arteriosklerose-Risikos, Verbesserung der Herzmuskelleistung
- Minimierung des Krebsrisikos und Erhöhung der Lebensqualität in der
Krebstherapie - Schützende Wirkung für unsere Nervenzellen (Prävention von z.B.
Morbus Alzheimer und Parkinson) - Vorbeugung und Therapie von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Diabetes Typ 1, rheumatoide Arthritis usw.
- Prävention und Verbesserung von Diabetes Typ 2 Erkrankungen (Altersdiabetes)
- Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora sowie der wichtigen Darmbarriere
- Reduktion von Entzündungsprozessen im Körper: Steigerung der Produktion entzündungshemmender und antiallergischer Botenstoffe. Wichtig bei Allergien, Neurodermitis, Asthma, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Morbus Crohn, Rheuma usw.
- Gesundheit von Mutter und Kind in der Schwangerschaft und Stillzeit
VITAMIN D – EIGENTLICH EIN HORMON
Vitamine sind lebenswichtige Stoffe, die unser Körper nicht (ausreichend) selbst produzieren kann. Streng genommen ist Vitamin D also gar kein richtiges Vitamin, denn unser Körper kann es mit Hilfe von UV-B Strahlen der Sonne aus einer Form des Cholesterins selbst herstellen. Hierbei wird in unserer Haut beim Sonnenbaden das sogenannte Provitamin D gebildet. Aus diesem entsteht dann mit Hilfe unserer Körpertemperatur das Vitamin D (Cholecalciferol). In der Leber wird dieses durch ein Magnesium abhängiges Enzym zum Calcidiol (25-Hydroxy-Vitamin D) umgewandelt. Diese Substanz stellt den wichtigsten Parameter bei der Bestimmung des Vitamin D Wertes im Blut dar. Die Stoffwechsel aktive Substanz allerdings ist das Calcitriol (1,25-Dihydroxy-Vitamin D), welches in den Nieren und vielen Geweben und Organen unseres Körpers aus dem Calcidiol wiederum mit Hilfe eines Magnesium abhängigen Enzyms entsteht. Dieses Calcitriol stellt die aktive Wirkform dar, der die oben genannten Stoffwechselfunktionen zugeschrieben werden. Chemisch ist sie den Steroidhormonen zuzuordnen. Andere Steroidhormone sind etwa die Sexualhormone (z.B. Östrogen oder Testosteron) oder die Corticosteroide (z.B. Cortison). Viele unserer Zellen (Zellen der Nerven, des Immunsystems, der Muskeln, des Magen-Darm-Traktes, der Bauchspeicheldrüse, der Eierstöcke, der Gebärmutter uvm.) verfügen über eigene Vitamin D-Rezeptoren. Auf diese Weise werden u.a. lebenswichtige Stoffwechselprozesse kontrolliert. Ein Mangelzustand kann somit katastrophale Folgen haben.
Man erkennt hierbei auch, dass es kein aktiviertes Vitamin D ohne ausreichende Magnesiumversorgung geben kann. Das heißt: steigt der Vitamin D-Blutspiegel trotz Einnahme eines Vitamin D Präparates nicht, könnte dies an einem Magnesiummangel liegen.
VITAMIN D MANGEL – EIN WEIT VERBREITETES PROBLEM
In unseren Breiten herrscht laut aktuellen Daten eine Unterversorgung mit Vitamin D von etwa 80 – 90% der gesamten Bevölkerung.
Aber wieso ist das so, wenn unser Körper die Substanz doch selbst herstellen kann und uns Medien unterschiedlichster Art immer und immer wieder suggerieren, dass wir mit „richtiger und gesunder Ernährung“ keinen Vitamin-Mangel bekommen können?
- Geographische Lage: wir befinden uns auf der Nordhalbkugel der Erde. Hier erreicht die Sonne von Oktober bis März nicht die notwendige Höhe, um die zur Vitamin D Synthese benötigte UV-B Strahlung von 290 bis 315 nm auf unserer Haut zu erzeugen (UV-Index < 3).
- Geringe Halbwerts-Zeit: Die unterschied-lichen Vitamin D-Formen sind nur begrenzt und vor allem nicht allzu lange speicherbar. Die Halbwertszeit der aktivierten Form (Calcitriol) beträgt nur 3 Stunden, die des Calcidiols etwa 2 – 3 Wochen und des Vitamin D (Cholecalciferol) ca. 24 Stunden. Früher glaubte man, dass wir im Sommer eine Art Vitamin D Depot für den Winter anlegen können. Leider ist das aufgrund der geringen Speicherbarkeit nicht möglich. Da ab Oktober kaum eine körpereigene Synthese aufgrund der geringen Sonneneinstrahlung mehr möglich ist, sind spätestens im Dezember/Januar unsere Reserven fast aufgebraucht. Auch ein möglicher Grund für immer genau zu dieser Zeit auftretende Grippe- und Erkältungswellen.
- Sonnenschutzmittel: Präparate mit hohen Lichtschutzfaktoren sind für unsere Haut extrem wichtig, um sie vor den schädlichen Auswirkungen der UV Strahlung wie Sonnenbrand, Hautalterung und Krebs zu schützen. Aber: Auch die körpereigene Vitamin D Produktion wird so fast gänzlich unterdrückt.
- Lebensumstände: Wir alle sitzen im Sommer, wenn die Sonne scheint, den größten Teil des Tages im Büro, im Auto, vor dem Fernseher oder an beschatteten Orten. Wir halten uns also nicht überwiegend draußen in der Sonne, sondern in geschlossenen Räumen auf.
- Vitamin D arme Lebensmittel: Leider gibt es keine Möglichkeit unseren Vitamin D Bedarf rein über die Nahrung zu decken. Denn hierfür wäre nur der Lebertran (Vorsicht vor Verunreinigung mit Schwermetallen, Pestiziden usw.) wirklich geeignet. Fetter Fisch müsste täglich in größeren Mengen gegessen werden. In Milchprodukten, Eiern und Gemüse ist der Gehalt für eine optimale Versorgung zu niedrig.
- Im Alter lässt aufgrund der Veränderung des Hautgewebes (Haut wird dünner) die körpereigene Produktion nach. Deshalb sollte dies bei Senioren unbedingt mit Vitamin D Präparaten ausgeglichen werden.
- Bestimmte Medikamente können den Vitamin D Bedarf erhöhen (z.B. Antiepileptika).
- Manche Krankheiten wie z.B. entzündliche Darmerkrankungen beeinträchtigen die Aufnahme von Vitamin D negativ.
- Magnesiummangel: Wie wir gesehen haben, ist Magnesium insbesondere zur Aktivierung von Vitamin D unbedingt notwendig. Auch bei diesem Mineral besteht bei weiten Teilen der Bevölkerung ein Mangel. Um optimal versorgt zu sein, sollten täglich ungefähr 4 – 6 mg Magnesium pro KG Körpergewicht (im Durchschnitt 300 mg Magnesium) aufgenommen werden.
Vitamin D wird in Mikrogramm (µg) oder in internationalen Einheiten (I.E.) angegeben. 1 µg entspricht 40 I.E. bzw. 1 I.E. entspricht 0,025 µg Vitamin D.
Unser täglicher Bedarf liegt bei ca. 2000 – 4000 I.E. am Tag je nach Körpergewicht. Es sollten bei wenig Aufenthalt in der Sonne und besonders im Winter 40 – 60 I.E. pro KG Körpergewicht zugeführt werden, um die Versorgung zu sichern. Eine tägliche Einnahme ist aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Vitamin D von nur 24 Stunden einer wöchentlichen Anwendung unbedingt vorzuziehen.
Ein optimaler Blutwert liegt bei 40 ng/ml – 60 ng/ml. Dieser sollte regelmäßig beim Arzt oder im Labor kontrolliert werden.
Gerade in der Schwangerschaft ist eine gute Versorgung mit Vitamin D extrem
wichtig. Hier sollte eine noch engmaschigere Kontrolle stattfinden.
Bei einer Unterversorgung mit dem Sonnenvitamin wird in der Schilddrüse der Gegenspieler des Vitamin D, das Parathormon, gebildet. Diese Substanz hat viele gesundheitsschädliche Eigenschaften wie z.B.:
- Begünstigung von Verkalkung der Arterienwände und der Herzklappen
- Erhöhung des Blutdruckes
- erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen
Senkt man die Parathormon-Produktion, indem man genügend Vitamin D zuführt, senkt man also im Gegenzug die Gefahr für unser Herz-Kreislaufsystem.
NAHRUNGSERGÄNZUNG MIT VITAMIN D
Es gibt unterschiedliche Präparate zur Abdeckung einer optimalen Vitamin D-Versorgung. Erhältlich sind sie beispielsweise in Kapseln, Tabletten, Ölen oder Mundsprays. Als Vitamin D2 bezeichnet man die pflanzliche Form, das sogenannte Ergocalciferol. Dieses unterscheidet sich chemisch nur minimal vom tierischen Vitamin D3 (Cholecalciferol). Neuere Studien deuten darauf hin, dass Vitamin D3 wirksamer sein könnte als Vitamin D2.
BLUT-SPIEGEL REGELMÄSSIG KONTROLLIEREN LASSEN
Vitamin D als fettlösliche Substanz kann überdosiert werden. Eine schädliche Wirkung (wie etwa Nierenverkalkung) ist durch frei verkäufliche Nahrungsergänzungspräparate zwar selten, aber möglich. Als unbedenkliche Dosierungsobergrenze wurde von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit die Dosis von 4.000 I.E. (entspricht 100µg) Vitamin D3 pro Tag für Erwachsene festgelegt. Auf der sicheren Seite ist man sowohl gegen eine Überdosierung aber auch gegen einen Mangel, wenn man den Vitamin D-Blutstatus regelmäßig kontrollieren lässt, besonders in der kalten Jahreszeit. Eine höher dosierte Dauereinnahme sollte stets mit einem Arzt abgeklärt werden.
EXPERTEN-TIPP:
Gehen Sie so viel wie möglich an die frische Luft und zeigen Sie Haut dabei – auch und besonders in der kalten Jahreszeit. Ein gemütlicher Herbstspaziergang oder eine Runde Toben mit den Sprösslingen tut auch der Seele gut.
Der Artikel Vitamin D ist erstmals auf APOgesund.at erschienen.